Zeitzeuge am BBZ RD-ECK
Zwischen Lüge und Zorn – Die Kluft zwischen Propaganda und Realität
Ein Zeitzeuge besucht das BBZ Rendsburg-Eckernförde
Ein Zeitzeuge zu gewinnen? Maxi Klink sah gleich eine sinnvolle Verknüpfung zu ihrem Fach Wirtschaft und Politik. Damit, dass sie gewinnt, hätte die Lehrkraft in Ausbildung nun nicht wirklich gerechnet, als sie bei der Landeszentrale für politische Bildung einen Teilnahmeschein in die Lostrommel geworfen hat. Doch tatsächlich: Siegfried Wittenburg, Fotograf und Publizist, wurde dem BBZ Rendsburg-Eckernförde zugelost und kam am Mittwoch, dem 18. Mai 2022 zu Besuch, um einen Vortrag über seine zwei Leben zu halten, von dem er das erste in Unfreiheit in der Diktatur der „Deutschen Demokratischen Republik“ erlebt hat.
Von links: Schulleiter Finn Krieger, Siegfried Wittenburg, Maxi Klink
Und so erlebten die Schülerinnen und Schüler aus dem Beruflichen Gymnasium Gesundheit und aus der Mittelstufe der Berufsschulklasse Verwaltung einen Vortrag, der die Widersprüche zwischen der wahrgenommenen Realität und der Propaganda der allmächtigen Partei SED und ihrer Geheimpolizei, der Stasi, aufzeigte.
Siegfried Wittenburg, geboren 1952 in Warnemünde, gelernter Funkmechaniker, suchte und sucht Zeit seines Lebens Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks. Dabei entdeckte er die realistische Fotografie und arbeitete unter anderem als Leiter des jugendlichen Fotoclubs „Konkret“ im Rostock der 80er Jahre. Immer wieder erkannte und dokumentierte er die offenkundige Diskrepanz zwischen der Propaganda und dem, was er tagtäglich sah und geriet so auch in das Visier der Stasi.
In seinem Vortrag zeigt er viele seiner großartigen schwarz-weißen Fotografien aus der Zeit der „Wende“ 1988 – 1990, spricht über die Grenzen, die realen und die im Kopf, die immer präsent waren, aber auch darüber, was ihn in der DDR gehalten hat. So wird gerade die Zeit vor und während der „friedlichen Revolution“ für die Schülerinnen und Schüler lebendig. Sie sehen Gesichter von jungen Menschen, die die Entschlossenheit und den Mut dieser Tage zeigen, gleichzeitig spricht Herr Wittenburg über das euphorische Gefühl, endlich einmal etwas bewegen zu können, stets kombiniert mit der Furcht, ob Polizei und Stasi mit Gewalt der Bewegung ein Ende machen würden. Er stellt auch andere Versuche dar, wo der Wunsch, etwas zu ändern, mit Panzern beendet wurden, etwas im Prager Frühling 1968, am 17. Juni 1953 in Berlin oder auch auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989.
Siegfried Wittenburg endet seinen Vortrag mit Bildern der aktuellen Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung und ermutigt damit die Schülerinnen und Schüler dazu, ihre Interessen auch auf der Straße zu vertreten.
Die Schülerinnen und Schüler hören über 100 Minuten gespannt zu und bedanken sich mit Applaus und persönlichen Danksagungen bei Herrn Wittenburg, der es geschafft hat, den Bogen zwischen Geschichte und aktuellen Ereignissen zu spannen.